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02.02.2012 - USt bei Partyservice. Steueränderung durch die Kalte Küche!

Es ist eine nicht enden wollende Geschichte. Die Frage, wie viel Umsatzsteuer die Lieferung einer Malzeit an einen Kunden kostet, ist etwa seit dem Jahr 2000 streitig. Nun haben zwei Senate des BFH, der V. und der XI. Senat, zum Jahreswechsel mehrere Urteile zu dieser Frage gesprochen. Klarheit und Steuergerechtigkeit haben sich die Betroffenen versprochen. Irgendwie haben sie beides nicht bekommen.

Bisher galt, dass Lieferungen von Nahrungsmitteln dem begünstigen Steuersatz unterfallen. Daher haben alle, die Essen außer Haus zum Kunden geliefert haben, stets mit 7 % Umsatzsteuer kalkuliert. Das war seit jeher richtig und zwar für den Pizzabringdienst genauso wie für den Partyservice und das Cateringunternehmen. Doch der Fiskus hatte andere Pläne: er fing an, im Rahmen von Betriebsprüfungen für Essenslieferungen außer Haus den Regelsteuersatz zu fordern, weil es sich in bestimmten Fällen eben nicht um reine Essenslieferungen hande-le, sondern um Dienstleitungen, die als sog. sonstige Leistung mit dem Regelsteuersatz von damals 16 % zu besteuern wären.

Viele betroffene Steuerpflichtige wehrten sich, auch ein lippisches Fleischereiunternehmen. Nach ablehnender Entscheidung durch das Finanzgericht nahm der BFH das Revisionsverfahren an und legte es dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Das Urteil des EuGH vom 10.03.2011 (Az.: C-502/09) war an sich klar und deutlich: Partyservice stelle zwar eine Dienstleistung dar, es sei denn, es würden Standardspeisen ohne besonderes weiteres Dienstleistungselement geliefert. Dann nämlich bliebe es dabei, dass eine steuerbegünstigte Essens-lieferung vorläge.

Die anschließende Auslegung des XI. Senats des BFH in seinem Gerichtsbescheid vom 08.06.2011 (Az.: XI R 6/08) war äußerst überraschend. Oder auch nicht, denn der BFH kam zu dem Schluss, dass Standardspeisen ausschließlich im Bereich des Fastfood zu finden seien und alles andere damit allein schon wegen der besonde-ren Qualität des Essens keine begünstigte Essenslieferung sein könne. An dieser Meinung konnte auch eine mündliche Verhandlung nichts ändern, so dass letztlich das Urteil vom 23.11.2011 entsprechend ausfiel. Der V. Senat des BFH trieb diesen Gedanken in seiner Entscheidung vom 12.10.2011 (Az.: V R 66/09) noch auf die Spitze: „Die Zubereitung anderer als bloßer Standardspeisen kann daher auch ohne zusätzliches Dienstleis-tungselement (…) zu einer Dienstleistung führen.“ Für die Annahme einer sonstigen Leistung reicht nach Mei-nung des V. Senats also bereits die Zubereitung aus, wenn es sich nicht um eine Standardspeise handelt, also Speisen, wie sie üblicherweise an Imbissbuden abgegeben würden.

Im Ergebnis lässt sich die aktuelle Rechtslage in folgendem Schaubild zusammenfassen:


Schaubild
(Dr. Oliver Zugmaier, DStR 04/12, mit freundlicher Genehmigung)

Wenn man davon ausgeht, dass in den seltensten Fällen eine Standardspeise geliefert wird, führt das Schaubild vor Augen, was nun Realität zu werden droht: die Lieferung von zubereiteten Speisen durch einen Partyservice oder Caterer wird zukünftig grundsätzlich dem Regelsteuersatz unterfallen, es sei denn, der Kunde gibt sich mit Currywurst und Pommes Frites zufrieden. Lässt sich der Kunde beispielsweise Pizza liefern, wird ein Rechtstreit gar unausweichlich, da nicht klar ist, ob es sich bei Pizza noch um Standardspeisen handelt oder nicht.
Die Zielsetzung ist eindeutig. Der begünstigte Steuersatz soll für einen ganzen Unternehmenszweig per se durch die Kalte Küche abgeschafft werden, in dem man nicht das Gesetz ändert, sondern den ermäßigten Steuersatz einfach für nicht anwendbar erklärt.

Die BFH-Rechtsprechung, die diesem Vorhaben den Weg ebnet, widerspricht allerdings deutlich sowohl dem Urteil des EuGH, der den Begriff Standardspeisen keineswegs als anderes Wort für Fastfood verstanden wissen wollte, als auch der 6. EG-Richtlinie v. 17.05.1977 - 77/388/EWG bzw. der nachfolgenden Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006. Nach der Richtlinie führt das Zubreiten einer Speise durch Braten, Backen und Kochen zu einer neuen Speise und gerade nicht zu einer Dienstleistung, wie es der V. Senat in seinem Urteil nun ange-nommen hat.

Da der Rechtsweg ausgeschöpft ist, können jetzt nur noch die Verbände helfen, diesem Steuerirrsinn einen Rie-gel vorzuschieben. Der Deutsche Fleischer-Verband hat sich bereits zusammen mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks an das Bundesfinanzministerium gewandt um eine interessengerechte Regelungen durch ein sog. BMF-Schreiben zu erreichen. Ein gemeinsamer Termin soll helfen, die Belange der betroffenen Unter-nehmen vorzubringen und auf die praktische Umsetzung der Urteile des BFH Einfluss zu nehmen. Doch gelingen kann ein solches Unterfangen nur, wenn alle betroffenen Innungen und Verbände zusammen stehen. Dem BMF muss klar werden, dass es gegen einen starken Strom schwimmt.

Sollte auf diese Weise keine vernünftige Regelung zu finden sein, könnte ggf. nur noch eine Verfassungsbe-schwerde helfen. Doch ob das Bundesverfassungsgericht einen solchen Fall zur Entscheidung annimmt, ist zu-mindest fraglich. Daher darf diese letzte Chance der Einflussnahme unter gar keinen Umständen ungenutzt ver-streichen.


Martin Becker - Rechtsanwalt und Mediator
Winfried Becker & Partner

 

EuGH entscheidet über USt bei Partyservice
(10.12.2009 - RA Martin Becker und vBp,Stb,Rb Winfried Becker)

 

Instanzen:
Finanzamt Detmold
FG Münster 15 K 2797/04 U
BFH XI R 6/08
EuGH C-502/09

Links:
Pressemitteilung 106 des BFH
Vorlagebeschluss des BFH im Verfahren XI 6/08

Urteil des EuGH vom 10.03.2011

Update 10.03.2011

Der EuGH hat am 10.03.2011 über den Vorlagebeschluss des BFH entschieden, nachdem wir vehement im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.11.2010 unseren Standpunkt unter anderem auch gegen die Bundesrepublik Deutschland verteidigt hatten. In seiner Entscheidung hat der EuGH in den verbundenen Angelegenheiten, in denen es insgesamt im weitesten Sinne um Imbissstände und dergleichen ging, sinngemäß entschieden, dass die Abgabe von Speisen eine steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln bleibt, auch wenn im geringen Umfang Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden. Für den Umsatz eines Partyservice hat der EuGH festgestellt, dass es sich tendentiell um eine Dienstleistung handele, es sei denn, es würden ausschließlich Standardspeisen zubereitet oder die Essenslieferung stand erkennbar im Vordergrund.

Insgesamt kann unser Büro mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Für das Knallenlassen von Sektkorken ist es indes noch zu früh. Die Entscheidung des BFH steht noch aus. Dieses Verfahren ist längst noch nicht abgeschlossen.

Ursprünglicher Text:

Nach einer Außenprüfung im Jahre 2002/03 hat das Finanzamt Detmold bei einem Partyservice die Anwendung des nichtbegünstigten Steuersatzes bei der Lieferung von Speisen angenommen, weil nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der Lieferung von Speisen durch einen Partyservice regelmäßig neben der bloßen Essenslieferung (welche mit dem begünstigtem USt-Satz zu versteuern wäre) weitere, nicht unerhebliche Dienstleistungen hinzutreten würden, die aus der begünstigten Lieferung von Speisen eine nicht begünstigte sonstige Dienstleistung werden ließen.

Die Frage, wann aus einer begünstigten Essenslieferung eine nichtbegünstigte Dienstleistung wird, ist äußerst schwierig zu beurteilen. Für den Partyservice aber ist diese Frage von ganz entscheidender Bedeutung, da er dem Kunden im Zweifel begreifbar machen müßte, dass z.B. wegen neben dem Essen gelieferter Dessertschalen statt 7 % USt nun 19 % USt zu zahlen wären. Der Grund für diese dem Laien kaum begreifbar zu machenden Teuerung liegt in der bisweilen hochgradig schwierigen Abgrenzung zwischen bloßer Essenslieferung und einem sog. Restaurationsumsatz.

Der EuGH hat in einem schon älteren Vorabentscheidungsersuchen diesen Übergang genauer präzisiert. Der EuGH ging dabei davon aus, dass ein Restaurationsumsatz von einer Reihe von Dienstleistungen gekennzeichnet sei, die dem Gast neben dem Essen auch den Aufenthalt besonders gestalten und dadurch so angenehm wie möglich machen sollen. Der EuGH hat  daraufhin zwei Aspekte eines Restaurationsumsatzes definiert, nämlich zum einen die Dienstleistung gegenüber dem Verzehrenden (z.B. eine Bedienung) und zum anderen das Bereithalten von besonderen Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle (z.B. Tische, Stühle, Besteck, Geschirr etc.)

Diese Grundsätze nahm die Finanzverwaltung zum Anlass, bei einem Partyservice immer schon dann eine nichtbegünstigte sonstige Dienstleistung anzunehmen, wenn neben dem Essen noch Geschirr und Besteck, selbst in geringen Mengen, geliefert würde.

Der durch uns im August 2003 eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht Münster teilte die Auffasung der Finanzverwaltung und wies die gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung gerichtete Klage als unbegründet zurück. Der entscheidende Senat des Finanzgerichts wieß die Klägerin sogar darauf hin, dass damit zu rechnen sei, dass der Bundesfinanzhof in einem alsbald zu erwartenden Urteil ebenso entscheiden würde und ließ sogar aus diesem Grund die Revision nicht zu. Dennoch legte die Klägerin nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde Revision ein.

Der V. Senat des BFH urteilte Anfang 2009 (BFH-Urteil vom 18.02.2009 - V R 90/07) tatsächlich rigoros, indem er die Leistung eines Partyservice per se als Dienstleistung qualifizierte, weil bei einem Partyservice die Lieferung von Speisen ein nur kleiner Aspekt einer im übrigen auf eine Dienstleistung gerichteten sonstige Leistung sei. Der Partyservice würde den Kunden regelmäßig bei der Wahl der Speisen beraten, das Essen schließlich zubereiten, in Warmhalteschalen verpacken, diese anliefern und später wieder zurücknehmen. Ob die Behälter später gereinigt würden, sei hier unerheblich.

Der in unserem Fall zuständige XI. Senat machte sich die Argumente des V. Senates zu Eigen und wies die Revision der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zurück. Obgleich die Klägerin ursprünglich auf eine mündliche Verhandlung verzichten wollte, beantragte sie nun deren Durchführung und konkretisierte ihr Vorbringen insbesondere auch unter Verweis auf einen Aufsatz des Herrn Prof. Dr. Lippross, der das Urteil des V. Senates kritisiert.

Insbesondere kommt es nach der hieseigen Auffassung bei einer Essenslieferung durch einen Partyservice zur Beurteilung der Frage, ob eine begünstigte Essenslieferung oder eine nichtbegünstigte, sonstige Leistung vorliegt, auf die Wertung des Leistungsempfängers an, mithin darauf, was dieser als das tragende Element der Leistung empfunden hat. Mit Prof. Dr. Lippross sind wir der Meinung, dass bei einer Essenslieferung eben diese im Vordergrund steht und nicht etwa die Zubereitung oder die Anlieferung in Warhalteschalen. So wird es beispielsweise dem Hausbesitzer auch herzlich egal sein, wie das Öl, das ihm geliefert wird, rafiniert wurde. Auch wird er es als selbstverständliche Nebenleistung der Öllieferung begreifen, dass ihm dieses in einem dafür geeigneten Transporter vor die Haustür gefahren wird. In gleicher Weise wird der eine Essenslieferung erwartende Kunde ebenfalls davon ausgehen dürfen, dass ihm das Essen in Warmhalteschalen geliefert wird. Darin wird er eine Selbstverständlichkeit und keine entgeltpflichtige Dienstleitung erblicken.

Dieser lebensnahen Betrachtung will sich der XI. Senat entegen der ursprünglichen Ansicht des V. Senates wohl anschließen. Daher hat der XI. Senat dieses Verfahren neben anderen dem EuGH zur Bewertung vorgelegt.

Der XI. Senat deutet in seinem Vorlagebschluss an, die Rechtsauffassung des V. Senates nun nicht mehr uneingeschränkt zu teilen. In Teilen greift der Senat sogar die hiesige Argumentation auf (z.B. die Prüfung des Gewichts der zur Essenslieferung hinzugetretenen Dienstleistung anhand der Verhältnisse der dafür berechneten Entgelte) und deutet an, sie seiner Entscheidung zugrunde legen zu wollen, wenn dieses aufgrund der Entscheidung durch den EuGH angezeigt ist.